Aus der Basler Zeitung vom 14.5.14
Sextante D. unterrichtet weiter – Basel passt Leistungsauftrag an
Von Nadine A. Brügger
Basel. Im Februar berichtete die BaZ über den Schulbesuch der Sextante D. in Binningen. Im Auftrag der Aidshilfe beider Basel (AHbB) sollte sie die Schüler über sexuell übertragbare Infektionen informieren, gab den Zwölfjährigen aber Tipps zu Selbstbefriedigung und Sexualstellungen. Laut Geschäftsleiter Daniel Stolz ist die betroffene Sozialpädagogin noch immer «erfolgreich in beiden Kantonen im Einsatz».
Regierungsrat Carlo Conti hat sich den Bericht zu Herzen genommen: «Was wären wir denn für ein Gesundheitsdepartement, wenn wir solche Meldungen nicht ernst nehmen und in unsere Planung einbeziehen würden?»
Eine Gratwanderung
Auch Stolz hat nach dem Bericht sofort das Gespräch mit der Sexualpädagogin gesucht. Sie habe den Tag anders erlebt, als im Bericht zu lesen war und vertrete die Grundsätze der AHbB, wie «man darf lachen, aber nicht auslachen» und «niemand muss über ein Thema sprechen», sagt Stolz. Aber «auf die teilweise weit auseinandergehenden Bedürfnisse aller Schüler einzugehen ist eine Gratwanderung». Die AHbB biete «Aufklärung zu sexuell übertragbaren Infektionen, keine Sexualkunde». Die meisten Übertragungswege von Viren wie HIV haben aber mit Sexualität zu tun, weshalb stets beides thematisiert werden müsse. Daran werde sich auch zukünftig nichts ändern: «Wer nicht will, dass wir Sexualität thematisieren, soll uns gar nicht erst holen.
» Selbstbefriedigung wird laut Stolz aber nur dann zum Thema, wenn die Schüler danach fragen. Ob das in Binningen der Fall war, bleibt unklar. Noch hat die AHbB auch in ihrem Aufklärungsprogramm «keine konkrete Änderung» vorgenommen, da «neue Ideen schon länger geprüft werden».
Bedarfsgerechte Anpassungen
Conti betont, die Zusammenarbeit mit der AHbB sei für beide Seiten zufriedenstellend. Er möchte diese Partnerschaft nicht belasten. Dass der Leistungsauftrag des Kantons gegenüber der AHbB überarbeitet werde, liege daran, dass der Subventionsvertrag der AHbB angepasst und das Schulangebot seit 2014 in einer separaten Vereinbarung geregelt wird, so Philipp Waibel, Leiter Gesundheitsdienste.
Inhalte und Abläufe der Schuleinsätze sollen so «bedarfsgerechter» gesteuert werden. Was «bedarfsgerecht» genau bedeutet, erklärt Markus Ledergerber, Leiter Kinder- und Jugendgesundheitsdienst: «Jugendliche suchen ehrliche und kompetente Antworten.» Damit die Jugendlichen aber nicht mehr hören, als sie wissen wollen, wird ab sofort eine «halbjährliche Berichterstattung über die stattgefundenen Klassenbesuche» abgehalten. So bestehe die Möglichkeit «bei Bedarf Veränderungen an den Schulbesuchen vorzunehmen». Wichtig sei ein «wertfreier und möglichst nicht beurteilender Umgang mit Sexualität». Was sich in der Leistungsvereinbarung des Kantons mit der Aidshilfe definitiv ändern wird und ob die Pädagogin weiterhin praktizieren darf, steht bald fest.
«Viele finden das einen Skandal»
Dominik Lusser von Zukunft CH hofft auf politisches Nachspiel
BaZ: Was stört Sie an der neuen «Love-Life»-Kampagne des BAG?
Dominik Lusser: Sie ist, wie der Ex- Benetton-Fotograf Oliviero Toscani gegenüber 20 Minuten sagt, «nur Pornografie ». Unser Augenmerk gilt den Kindern, deren Sensibilität übergangen wird. Da ist es lächerlich, auf die theoretische Unterscheidungen zwischen Pornografie und Nicht-Pornografie zu verweisen, wie dies die Aids-Hilfe und das BAG tun.
Sexualität ist im Internet und im Fernsehen omnipräsent. Warum überschreitet genau diese Kampagne Ihre Grenzen?
Das Grundproblem liegt darin, dass das BAG, die Aids-Hilfe und Sexuelle Gesundheit Schweiz neben der Prävention noch andere Interessen verfolgen. Das BAG ist Promotor einer sexuellen Freiheit ohne Grenzen und Tabus. Sexuelle Gesundheit hat aber nicht nur mit Lust und Schutz vor Krankheiten, sondern auch mit langfristigen und echt beglückenden Beziehungen zu tun.
Sie rufen die Bevölkerung auf, das Bundesamt für Gesundheit zu verklagen. Erwarten Sie wirklich eine Anzeigenflut?
Viele Menschen haben uns gefragt, was man gegen diese Kampagne tun könne. Eine Anzeige ist eine Möglichkeit. Es wird sich zeigen, was diese bewirkt. Es ist auf alle Fälle wichtig, dass eine Diskussion angestossen wird, was im öffentlichen Raum sein darf und was nicht. Nur weil das SRF und die Gratiszeitungen laufend freizügiger werden, heisst das nicht, dass alle Leute begeistert davon sind. Viele Leute finden die aktuelle Kampagne einen Skandal.
Heute ist internationaler Tag gegen Homophobie. Wie prüde sind Sie?
Wir hätten die Kampagne auch kritisiert, wenn nur Hetero-Pärchen dargestellt worden wären. Wenn der Staat Bürger dazu aufruft, sich beim Sex filmen zu lassen, dann bringt er damit das Fass zum Überlaufen. Wir hoffen, dass diese Geschichte ein politisches Nachspiel haben wird.