Morgen berät der Nationalrat über die Initiative «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule». Die Vorlage sieht vor, dass Sexualerziehung ab neun Jahren freiwillig und ab zwölf Jahren obligatorisch unterrichtet wird. Der Bundesrat kritisiert die Vorschläge: Teile der Forderungen seien bereits erfüllt – andere würden die Präventionsarbeit erschweren.
«Aufklärung ist Sache der Eltern»
BEFÜRWORTER Nationalrat Sebastian Frehner (SVP, Basel-Stadt) kämpft an vorderster Front gegen den Sexualkundeunterricht in den Schulen.
Herr Frehner, Sie wollen mittels Volksinitiative Kinder vor einer angeblichen Sexualisierung im Kindergarten und in der Primarschule schützen. Ist das überhaupt notwendig?
Sebastian Frehner: Natürlich, sonst hätten wir das ja nicht lanciert. Wir bekämpfen keine Phantome.
Gerade das wird Ihnen von den Gegnern der Initiative, unter anderem auch vom Bundesrat, vorgeworfen: dass Sie ein Phantom bekämpfen.
Frehner: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wollte 2011 einen flächendeckenden obligatorischen Sexualunterricht ab dem Kindergarten einführen. Ein Leitfaden dafür war bereits in Auftrag gegeben. In Basel-Stadt waren wir wohl so etwas wie das Versuchskaninchen mit den sogenannten Sex-Koffern. Damit sollten Kindergärtler aufgeklärt werden. Es gab darin Sachen und Vorschläge, die einfach nicht stufengerecht waren. Wir haben gefunden: Nein, so wollen wir das nicht. Deshalb haben wir die Initiative lanciert.
Sexualerziehung soll laut lnitiativtext Sache der Eltern sein. Das ist schon heute Praxis, und auch mit dem Lehrplan 21 wird sich daran nichts ändern.
Frehner: Im Lehrplan 21 hat man zurückbuchstabiert, das stimmt. Doch die Pläne des BAG liegen noch nicht lange zurück, und sie waren mit den heutigen Rechtsgrundlagen möglich. Mit unserer Initiative setzen wir Leitplanken, auch für die Zukunft. Sonst kann das BAG jederzeit wieder kommen und einen entsprechenden Auftrag erteilen.
Ihr Initiativtext lässt viele Fragen offen. Die Begriffe sind nicht einheitlich, die Altersgrenzen nicht klar, die Umsetzung dürfte organisatorisch in den Schulen sehr schwierig werden. Man wird den Eindruck nicht los, dass diese Initiative als Drohgebärde für die Ausarbeitung des Lehrplans 21 gedacht war, die ihren Zweck schon erfüllt hat.
Frehner: Nein, das ist nicht so. Die vorgesehenen Leitplanken sind auch weiterhin wichtig, damit die Behörden wissen, woran sie sich zu halten haben.
Eine dieser Leitplanken hätte laut dem Bund zur Folge, dass gewisse Präventionsmassnahmen verunmöglicht würden. Etwa der Beizug externer Experten bei Themen wie Jugendschwangerschaft oder Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Sie nehmen in Kauf, wirkungsvolle Prävention zu verhindern. Ist das in Ihrem Interesse?
Frehner: Natürlich nicht, das ist Blödsinn. Die Initiative sagt ausdrücklich, dass Präventionsunterricht ab dem Kindergarten möglich sein soll. Aber bitte stufengerecht. Vierjährige müssen nicht schon den Unterschied zwischen hetero- und homosexuell kennen.
Was stört Sie denn grundsätzlich daran, dass der Staat Aufklärungsarbeit macht?
Frehner: Mein Grundsatz lautet: Das müssen die Eltern übernehmen. Ich bin ein liberaler Mensch und finde, dass das nicht Sache des Staats ist. Er soll generell so wenig machen, wie es nötig ist. Das gilt auch für die Erziehung der Kinder. Ich wurde von den Eltern aufgeklärt, später sprach man in der Schule darüber. So soll das weiterhin sein.
Sie sind 41 Jahre alt, einiges hat sich verändert seit Ihrer Kindheit. Etwa der Zugang zu sexuellen Inhalten. Muss die Schule nicht helfen, damit umzugehen?
Frehner: Das ist alles richtig, die Welt hat sich verändert, doch ich bleibe dabei: Das ist eine Aufgabe der Eltern.
Was passiert in den Familien, in denen die Eltern keine Zeit haben – oder die schlicht nicht gegen den Wissensvorsprung ihrer Kinder ankommen?
Frehner: Es ist eine Tendenz in unserer Gesellschaft, dass man sich immer an jenen orientiert, bei denen es nicht klappt. Betroffen sind aber immer auch die Mehrheiten, bei denen alles funktioniert. Zudem sieht die Initiative ja Sexualkunde ab dem neunten Lebensjahr vor, einfach auf freiwilliger Basis.
Bote der Urschweiz vom 3. März 2015